27. März 2014 | Dipl.-Met. Adrian Leyser
Der Erdrutsch von Oso
Die Bilder gingen um die Welt: Die kleine Gemeinde Oso im US-Bundesstaat Washington wurde am vergangenen Wochenende unter gewaltigen Erdmassen eines abrutschenden Berghangs begraben. Mindestens 14 Tote hat das verschüttete Örtchen nördlich von Seattle nach letzten übereinstimmenden Pressemeldungen zu beklagen. Auch für die mehr als 100 Vermissten besteht kaum noch Hoffnung.
Wie kommt es eigentlich zu solch einem Phänomen? Einem Erdrutsch
gehen in der Regel länger anhaltende und wiederholt auftretende
Starkregenfälle voraus, wobei eine Schneeschmelze einen zusätzlichen
Wassereintrag darstellen würde. Das einsickernde Wasser sorgt für ein
Auflockern und eine Gewichtszunahme der Erdmassen. Dabei wird die
sogenannte Scherfestigkeit des Erdkörpers herabgesetzt. Unter
Scherfestigkeit versteht man die Widerstandskräfte, die die Erdmassen
vor einem Abrutschen (Abscheren) bewahren. Verringert sich die
Scherfestigkeit unter einen kritischen Wert, bildet sich eine
Gleitebene aus, die anschaulich wie eine stabile Rutschbahn zu
verstehen ist. Die Schwerkraft, um genau zu sein nur der zu der
Rutschbahn parallele Anteil, wirkt als treibende Kraft. Sie überwiegt
nun die haltenden Kräfte und bringt das über der Gleitebene
befindliche Erdreich schließlich in Bewegung (siehe dazu die Skizze
einer schiefen Ebene).
Dabei gilt, je höher der Wassereintrag, je steiler das
Gelände und je dichter und "lehmiger" der Boden, desto
wahrscheinlicher ist ein Erdrutsch. Menschliche Eingriffe (wie z. B.
Rodungen, Bebauungen) können das Gefahrenpotenzial erheblich erhöhen,
indem sie das Gleichgewicht zwischen haltenden und treibenden Kräften
nachhaltig stören.
In den Tagen vor dem Unglück herrschte in der Region eine äußerst
feuchte Witterung vor. So regnete es in diesem März nach
verhältnismäßig trockenem Winterverlauf dort immer wieder stark. Am
nahe gelegenen Flughafen in Seattle fielen zwischen dem 1. und 22.
März, dem Tag des Unglücks, insgesamt rund 195 Liter Regen auf den
Quadratmeter. Auf Grundlage des langjährigen Mittels sind im März
üblicherweise nur 95 Liter zu erwarten. In kurzer Zeit ging knapp ein
Fünftel der durchschnittlichen Niederschlagsmenge eines gesamten
Jahres nieder.
Somit gab es aus meteorologischer Sicht im Vorfeld einige Hinweise
auf mögliche Erdrutsche. Bleibt zu hoffen, dass sich solche Tragödien
in Zukunft nicht wiederholen. Präventive Maßnahmen wie das Pflanzen
weiterer tief wurzelnder Bäume, das Sichern des Hangs mit Erdnägeln
oder das Installieren einer Hangdrainage könnten das Risiko
vermindern.
© Deutscher Wetterdienst
Bild: DWD
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