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08. Dezember 2024 | MSc.-Met. Thore Hansen

Orkantief ANATOL - Paukenschlag vor 25 Jahren

Orkantief ANATOL - Paukenschlag vor 25 Jahren

Datum 08.12.2024

Vor etwas mehr als 25 Jahren, am 3. Dezember 1999, fegte Orkantief ANATOL über Teile Europas hinweg und sorgte mit außergewöhnlich hohen Windgeschwindigkeiten für massive Schäden. Wir blicken zurück auf ein extremes Ereignis, das noch im selben Monat durch einen weiteren Orkan teilweise in den Schatten gestellt wurde.

In den vergangenen Tagen war es zwar windig bis stürmisch in Deutschland. An die Intensität ausgewachsener Stürme reichten die Windgeschwindigkeiten zumindest in Deutschland aber weitem nicht heran. Anders sah dies vor 25 Jahren im Dezember 1999 aus. Aus einem zunächst recht unscheinbaren Tief am 2. Dezember weit westlich von Irland entwickelte sich in nur 24 Stunden ein außergewöhnliches Orkantief. Es bekam den Namen Anatol. In nur rund 36 Stunden vertieft sich der Kerndruck von Anatol von etwa 1030 Hektopascal (hPa) (02.12.1999 01 MEZ) auf 960 hPa (03.12.1999 13 MEZ). Innerhalb von 24 Stunden betrug der Druckabfall immer noch mehr als 50 hPa. Der Grenzwert von 24 hPa in 24 Stunden für eine schnelle Intensivierung eines Tiefs wurde damit deutlich überschritten.


Karte der Zugbahn von Anatol über Europa inklusive dreistündiger Kerndruckangaben. (Quelle DWD)
Karte der Zugbahn von Anatol über Europa inklusive dreistündiger Kerndruckangaben. (Quelle DWD)


Die Zugbahn von Anatol führte vom Seegebiet westlich von Irland über die Britischen Inseln zur Nordsee und weiter über den Norden Dänemarks nach Südschweden. Seinen Höhepunkt erreichte Anatol zwischen Dänemark und Südschweden. Am Abend des 3. Dezember 1999 wurden dort 952 hPa gemessen. In der Folge schwächte sich der Orkan dann ab. Das stärkste Sturmfeld von Anatol befand sich, wie für gewöhnlich üblich, an seiner Süd- bzw. Westflanke. Dort war der horizontale Druckunterschied am größten. Das intensivste Sturmfeld schwenkte somit über die Deutsche Bucht sowie Schleswig-Holstein und Süddänemark nach Osten.


Kartenausschnitte der Bodendruckanalyse über Europa vom 02. bis 04.12.1999. (Quelle UKMO Analyse)
Kartenausschnitte der Bodendruckanalyse über Europa vom 02. bis 04.12.1999. (Quelle UKMO Analyse)


Innerhalb Deutschlands war das Sturmfeld folglich umso stärker, je weiter nördlich sich der Beobachtungspunkt befand. Die stärkste Böe wurde wenig überraschend an der Station List auf Sylt registriert. Knapp 185 km/h (Beaufort 12) konnte der Windmesser aufzeichnen, ehe die Stromversorgung aufgrund des Orkans für mehrere Stunden ausfiel. Noch stärkere Böen können aufgrund der Messunterbrechung nicht ausgeschlossen werden. Ähnlich hohe Windgeschwindigkeiten wurden in Dänemark auf der Insel Romoe gemessen. In St.Peter-Ording, Flensburg, Fehmarn, Lübeck und auf Rügen erreichte der Orkan Windgeschwindigkeiten zwischen 140 und 155 km/h. In Hamburg reichte es für 108 km/h (Bft 11).


Satellitenbilder von Anatol. Entwicklung vom Wolkenband bis zu einem ausgewachsenen spiralförmigen Orkantief und anschließend der Auflösung. (Quelle NOAA)
Satellitenbilder von Anatol. Entwicklung vom Wolkenband bis zu einem ausgewachsenen spiralförmigen Orkantief und anschließend der Auflösung. (Quelle NOAA)


Die Auswirkungen waren dementsprechend immens. Auf der Nordsee gerieten Schiffe in Seenot, Seetonnen wurden fortgerissen und an Land entwurzelte der Sturm Bäume, deckte Dächer ab und ließ Verkehrsschilder durch die Luft fliegen. In Schleswig-Holstein wurden allein dem größten Versicherer insgesamt 35.000 Schadenfälle gemeldet. An der Nordsee kam es zum Teil zu einer sehr schweren Sturmflut, die Insel Romoe wurde dabei überflutet. Mindestens 20 Menschen kamen durch den Sturm in Europa ums Leben.

Anatol sollte aber nicht der einzige außergewöhnliche Sturm im Dezember 1999 bleiben. Am 26.12.1999 erreichte ein sich ebenfalls rasch vertiefender Sturm auf ungewöhnlich südlicher Zugbahn von Frankreich her Süddeutschland. Mit brachialer Gewalt sorgte "Lothar" für enorme Schäden, vor allem auch in den Wäldern.

In der kommenden Woche sind Sturmtiefentwicklungen in Mitteleuropa sehr unwahrscheinlich. Für den Rest des Winters lassen sich jedoch keine belastbaren Aussagen treffen.



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